Unternehmer Portrait

Wirtschaften mit Prinzip

28.02.20236 Minuten Lesezeit

Michael Otto wurde das Unternehmertum in die Wiege gelegt. Sein Vater Werner Otto hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einen Versandhandel gegründet, den er mit Einfallsreichtum und starkem Willen führte. Das Geschäft wuchs schnell. Werner Otto war bewusst, dass ein Unternehmer in Bewegung bleiben muss, um erfolgreich zu sein, dass er passende Antworten auf die aktuellen und zukünftigen Wünsche der Kunden finden muss und er zudem an das Wohl seiner Belegschaft denken sollte. So führte er zum Beispiel als erster in Deutschland 1950 die Bezahlung per Rechnung ein und 1956 die Fünf-Tage-Woche für alle Mitarbeitenden. „Mein Vater hatte viele Ideen und er war ein Macher, ein Umsetzer und Optimierer“, sagt Michael Otto.

Das Prinzip des Optimierens, des Dranbleibens – vereint mit einem tiefgehenden sozialen Verantwortungsbewusstsein – entsprach auch der Überzeugung von Michael Otto, als er 1971 als Vorstandsmitglied im Bereich Textileinkauf im Unternehmen der Familie Otto anfing. Und er entwickelte diese Prinzipien im Lauf der Jahre weiter, ergänzte das intuitive Gespür des Vaters für die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit mit strategischem Denken. „Analytische und kreative Prozesse gehören zusammen“, sagt er. Was dieser Ansatz im Alltag bedeutet, offenbarte sich auf unterschiedliche Weise spätestens ab 1981, als Michael Otto Vorstandsvorsitzender der Otto Gruppe wurde.

Agil handeln, langfristig entscheiden

Um kreative, unternehmerische Antworten auf die Bedürfnisse der Kunden und die Probleme der Welt zu finden, müssen Unternehmer Risiken eingehen und agil auf die stets neuen Herausforderungen des Marktes reagieren können. Das war Michael Otto immer bewusst. Die Risiken und die Fähigkeit zum schnellen Handeln dürfen aber nie das Unternehmen in seiner Gesamtheit gefährden. Deswegen diversifizierte er die Otto Group durch Zukäufe und Gründung einzelner Unternehmen, erschloss neue Märkte, erweiterte den Kundenstamm. Er traf Entscheidungen, die nachhaltig waren und langfristig den Erfolg des Unternehmens sichern sollten. So entstand ein weltweit agierender Konzern mit heute rund 43.000 Mitarbeitenden in 30 wesentlichen Unternehmensgruppen in den Segmenten Plattformen, Markenkonzepte, Händler, Services und Finanzdienstleistungen. Die Unwägbarkeiten des Marktes und das Risiko innovativen Wirtschaftens wurden mit dem strategischen Dreiklang der Otto Group „Optimieren, Expandieren, Internationalisieren“ als Basis auf mehrere Schultern verteilt. Dieser Ansatz vereint somit Agilität und langfristiges Denken. Dadurch entstand Raum für Experimente. Man konnte sich neugierig auf Neues einlassen, auch auf die Gefahr hin Fehler zu machen und hin und wieder sogar zu scheitern. „Michael Otto denkt in Dekaden. Er hat den Weitblick, den Mut, den Willen und die Geduld, auch Projekte zu unterstützen, die sich gegebenenfalls nicht so schnell auszahlen“, sagt Tarek Müller, Mitgründer und Geschäftsführer des Online-Mode-Händlers About You.

Die Umwelt schützen, nachhaltig wirtschaften

Dieser Weitblick und dieser Mut zeigen sich in Michael Ottos Karriere auf vielfache Weise. Schon früh setzte er sich etwa für ökologisch verantwortliches Handeln ein. Das begann in den 1970er Jahren mit Projekten wie zum Beispiel dem Einsatz von recycelter Kartonage im Versandhandel, bis er dann 1986 nachhaltiges Wirtschaften und Umweltschutz zu einem Unternehmensziel erklärte. Danach wurden die Prozesse in allen Bereichen schrittweise verändert und das Sortiment der verkauften Ware auf umweltschädliche Herstellungsprozesse überprüft. Unter welchen Umständen wird etwa die verwendete Baumwolle hergestellt, gesponnen und später gefärbt? Und welche Möglichkeiten gibt es, diese Verfahren umweltfreundlicher zu gestalten? Mit diesem Ansatz, der zur DNA der Otto Group gehört, war Michael Otto damals ein von Unternehmerkollegen belächelter Exot. Heute liegt der Konzern in Sachen ökologischer Verantwortung weit vor vielen anderen. Auch weil Michael Otto nie vergaß, neben dem Umweltschutz die ökonomischen Interessen des Unternehmens im Blick zu halten. Die Balance zwischen ökologischer und ökonomischer Verantwortung muss gewahrt bleiben. Denn ein insolventes Unternehmen hilft weder der Umwelt noch den Menschen und der Gesellschaft. Die Otto Group konnte auf diesem Weg wichtige ökologische Meilensteine erreichen. Für das textile Sortiment an Eigen- und Lizenzmarken verwendet die Otto Group etwa fast ausschließlich nachhaltig angebaute Baumwolle, der Anteil liegt bei 98 Prozent. Die CO₂-Emissionen in der eigenen Geschäftstätigkeit wurden von 2006 bis 2020 mehr als halbiert. Bis zum Jahr 2030 will die Otto Group in allen Kernprozessen klimaneutral sein. Seit Ende der 1990er Jahre wurden systematisch Sozialstandards in der Lieferkette eingeführt, die nicht nur den Lieferanten vorgegeben werden, sondern durch Schulung werden die Lieferanten auch unterstützt, diese Standards zu erreichen. Darüber hinaus wird die Einhaltung der Sozialstandards sowohl durch eigene als auch durch unabhängige Prüfer auditiert. „Ich finde es ganz toll, wenn jemand in der Welt des harten kapitalistischen Wettbewerbs die Werte so hochhält und durchsetzt“, sagt der Umweltwissenschaftler Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker über Michael Otto.

Innovativ bleiben, Experimente wagen

Ein weiteres Feld, auf dem Michael Otto schon sehr lange Zeit Weitblick beweist und es auch heute noch als Vorsitzender des Aufsichtsrats tut, ist das der Innovation. „Dr. Otto ist immer auf der Höhe der Zeit, gerade über technologische Veränderungen weiß er so gut wie alles“, sagt der CEO der Otto Group Alexander Birken. Ab den 1980er Jahren reiste Michael Otto mit Kolleg*innen aus der Otto Group in die USA – ins Silicon Valley und an die Ostküste. Er besuchte Start-ups und innovative digitale Unternehmen, um die neuesten Trends in der IT aufzuspüren. Auch deshalb hatte die Otto Group schon Mitte der 1990er einen Online-Shop. In einer Zeit also, als nur etwa 250.000 Deutsche einen Internetanschluss hatten, und lange vor vielen anderen Versandhändlern. Das gab dem Unternehmen Zeit, die neuen Technologien ausgiebig zu testen und einzuführen. Das oben angesprochene Prinzip der langfristigen Entscheidungen, die das ökonomische Überleben des Unternehmens sichern, ermöglichte Experimente, die auch immer die Möglichkeit des Scheiterns in sich tragen. Durch so manche Wagnisse konnte die Otto Group letztlich Strukturen schaffen, die die Wucht der Veränderungen durch E-Commerce und Digitalisierung auffangen. Michael Ottos Neugierde auf technischen Fortschritt und der Wille, am Puls der Zeit zu sein, prägen das Unternehmen bis heute. Also auch, nachdem er dessen Führung 2007 in andere Hände gab.

Die Wirtschaft verbessern, den Menschen helfen

Sein Wissen, seine Erfahrung und sein Verantwortungsgefühl für die Umwelt und soziale Belange bringt Michael Otto auch außerhalb der Unternehmensgrenzen ein. Er ist Mitbegründer und Initiator zahlreicher wegweisender Initiativen der deutschen Wirtschaft. Darunter die amfori Business Social Compliance Initiative (amfori BSCI), die seit 2001 Unternehmen mit einem Verhaltenskodex dabei unterstützt, die sozialen Standards entlang der verschiedenen Lieferketten zu verbessern. Durch Michael Ottos Einsatz entstand zudem die Stiftung KlimaWirtschaft, ein Zusammenschluss deutscher Unternehmen, die sich für eine Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft einsetzt. Oder das Hamburger Hauptschulmodell, das in Zusammenarbeit mit Hapag Lloyd vor allem Hauptschülern den Berufseinstieg erleichtern soll. Dieser Einsatz zeigt ein weiteres Prinzip, das Michael Otto über seine Karriere immer wieder betont hat: Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt.

Für sein Engagement für Umwelt und Gesellschaft erhielt Michael Otto 2006 das Bundesverdienstkreuz mit Stern.

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